3. SZENE
Während Ludwig die blauen Turnschuhe
probiert, poltert es hinter der Toilettentür. Ludwig schaut
kurz auf, erst nach einigem Zögern geht er hin, öffnet
sie. Sarah ist zu sehen. Sie ist nass, trägt rote Schuhe.
LUDWIG: Oh, Entschuldigung.
Schließt die Tür schnell wieder, um sie kurz danach
wieder zu öffnen.
LUDWIG: Was machst du auf meinem Klo?
SARAH: Ich muss zum König.
LUDWIG: Aber du bist ganz nass.
SARAH: Es ist dringend.
LUDWIG: Du kannst froh sein, dass das alte Klo nicht mehr benutzt
wird.
SARAH: Ich muss ihn sprechen.
LUDWIG: Tja, Pech gehabt. Der ist schon wieder weg.
SARAH: Bitte.
LUDWIG: Der König ist sowieso für niemanden zu sprechen.
SARAH: Hat es schon jemand versucht?
LUDWIG: Wie denn, wenn alles verriegelt und zugemauert ist. Nicht
einmal mich lässt man hier raus. Befehl von meinem Vater.
Du kannst also froh sein, wenn du mit ihm nichts zu tun hast.
SARAH: Dein Vater? Aber dann kannst du mir bestimmt helfen.
LUDWIG: Was willst du denn von ihm?
SARAH: Aber wer sagt mir, dass ich dir vertrauen kann? Du trägst
blaue Schuhe. Klar. Bist ja auch der Königssohn.
LUDWIG: Ich find blaue Schuhe abscheulich. Aber wenn ich sie nicht
anzieh', stecken die mich ins Gefängnis.
SARAH: Dich, den Königssohn?
LUDWIG: Die Erwachsenen halten doch immer zusammen. Da hast du
keine Chance. Nicht einmal als Königssohn. Aber wie bist
du hierher gekommen?
SARAH: War ganz schön schwierig. Und anstrengend. Man muss
sich ganz dünn machen.
LUDWIG: Wenn du hereingekommen bist, muss es auch wieder einen
Weg nach draußen geben
SARAH: Dann machen wir doch einen Tausch: Dein Weg gegen meinen.
Du bringst mich zum König, und ich zeige dir, wie du hier
rauskommst.
LUDWIG: Gut. Du zuerst.
SARAH: Aber es ist dringend.
LUDWIG: Was denn?
SRAH: Bitte.
LUDWIG: Okay. Aber zieh die hier vorher an. Damit du sicher bist,
wenn dich jemand sieht.
Ludwig zieht die blauen Schuhe aus, gibt sie ihr. Sarah nimmt
sie zögernd entgegen.
SARAH: Aber die sind mir bestimmt viel zu groß.
LUDWIG: Probier sie an.
Zieht ihre Schuhe aus, probiert Ludwigs Schuhe.
SARAH: Darin kann ich nicht rennen, wenn's gefährlich wird.
LUDWIG: Ich werd' auf dich aufpassen. Wie heißt du eigentlich?
SARAH: Sarah.
LUDWIG: Ein schöner Name. Ich heiße Ludwig.
SARAH: Klingt - irgendwie - vornehm.
LUDWIG: Bescheuert. Wie aus einem alten Märchenbuch. Aber
was willst du hier?
SARAH: Ich hab Angst. Vielleicht tun sie Mama was an.
LUDWIG: Was ist mit ihr?
SARAH: Es ist alles so plötzlich passiert. Gestern, als ich
vom Höhlenklettern nach Hause gekommen bin, da war sie auf
einmal verschwunden. Die ganze Nacht hab ich kein Auge zugemacht.
Wär' ich doch nur zu Hause geblieben
LUDWIG: Meine Mutter ist schon seit drei Jahren tot. Seither ist
es so schrecklich still hier. Wie auf einem Friedhof. Immer haben
wir zusammen gelacht, haben verstecken gespielt, mit den Kindern
aus der Stadt. Und jetzt ist alles zugemauert und bewacht. Damit
mein Vater nicht daran erinnert wird, wie schön es hier war.
SARAH: Meinen Vater hab ich nie gesehen. Vielleicht, als ich ganz
klein war. Mama hat nicht viel von ihm erzählt. Und sie ist
die Einzige, die ich habe. Wenn ihr was passiert ist - wir müssen
zum König!
Zieht wieder ihre roten Schuhe an.
LUDWIG: Schon gut. Ich bring dich hin.