2. SZENE
Jasmina und Joe betreten, beide etwas angetrunken,
die Wohnung. Er versucht immer wieder, sie in besitzergreifender
Manier zu umarmen, sie entzieht sich immer wieder.
JOE: In flagranti. Echt brisanti.
JASMINA: Olala.
ANNABELLA: Jasmina! Du hast getrunken? Du weißt, dass das
höchst gefährlich ist für dich.
JASMINA: Und wenn schon.
ANNABELLA: Immerhin bist du meine Tochter.
JASMINA: Mama, bin fast achtzehn.
NICO: Schon eine junge Dame.
JOE: Olala!
Greift nach der Flasche, die am Tisch steht, trinkt daraus.
ANNABELLA: Und wen, um alles in der Welt, hast du hier angeschleppt?
JASMINA: Könnte ich dich genauso fragen.
ANNABELLA: Wie redest du mit deiner Mutter?
JOE: Gestatten: Joe. Einfach Joe.
Streckt ihr lässig die Hand hin.
ANNABELLA zu Jasmina: Wir sprechen uns, nachher.
JASMINA: Du solltest dir auch was gönnen. Würde dir
echt gut tun.
Mustert Nico neugierig.
NICO: Wir haben ein Abkommen geschlossen.
JASMINA: Wie ein Geschäftemacher sehen Sie mir nicht gerade
aus.
JOE: Irgendwie - so eine Art Loosertyp vielleicht. Ich mein' natürlich,
von der coolen Sorte. Die Erfolg total megaout finden.
ANNABELLA: Es wäre an der Zeit, Kind, dass du was machst
aus deinem Talent.
JASMINA: Mutter!
ANNABELLA: Und dafür wirst du professionelle Unterstützung
bekommen.
NICO: Sie sollen außerordentlich begabt sein.
JASMINA: Ja, das sagt sie jedem.
JOE: Talent hat sie, die junge Dame. Zum Neinsagen.
JASMINA: Du vergisst: Wir haben ein Abkommen. Keine Fragen. Keine
Antworten. Keine Scherereien. Keinen Sex.
ANNABELLA: Jasmina!
NICO: Klingt nach Selbstkasteiung.
JASMINA: Bin damit gut gefahren. Bis jetzt.
JOE: Du wirst noch auf den Geschmack kommen, Kleines.
ANNABELLA: Wenn Sie wenigstens ein bisschen Kultur an den Tag
legen würden.
JOE: Gegensätze ziehen sich an. Stimmt's?
JASMINA: Vielleicht. Vielleicht auch nicht.
NICO: Da ist was dran.
ANNABELLA: Jedenfalls: Bevor du wieder Geld von mir für die
Kino- und Klamottenkasse bekommst - wie du zu sagen pflegst -,
möcht ich dich endlich wieder beim Klavierüben sehen.
Dass was wird aus dir.
JASMINA: Das ist Erpressung.
ANNABELLA: Wir sprechen uns, wenn du wieder nüchtern bist.
JASMINA: Ich bin bestimmt nüchterner als du.
ANNABELLA: Jasmina!
JOE: Besser, wir gehen. Zu mir.
JASMINA: Weiß nicht.
JOE: Kein Klaviergeklimper, keine Erpressungen, keine blödes
Kulturgequatsche.
NICO: Sie sind wirklich ein Banause.
JOE: Ein was?
ANNABELLA: Die Jugend. Nichts als Konsum im Kopf. Klamotten, Kino
- Coolsein. Die drei großen Ks, die die Menschheit weiter
bringen sollen.
JOE: Unter der Erde ist es zu spät dafür. Sendeschluss!
JASMINA: Ihr habt es auch nicht weit gebracht, mit euren ach so
tollen Werten. Du und Papa.
ANNABELLA: Lass Papa aus dem Spiel.
JASMINA: Du liebst den Kerl also immer noch?
ANNABELLA: Du lebst auch von seinem Geld. Und nicht so schlecht.
Außerdem - wir haben Besuch. Da müssen wir nicht alle
Familienangelegenheiten ausbreiten.
JASMINA: Sieht doch eh jeder, was bei uns alles schief läuft.
ANNABELLA: Wenigstens vor unserem Gast. Ich meine Herrn
JASMINA: Was, du kennst noch nicht mal seinen Namen?
NICO: Gestatten, Strabinski. Nico Strabinski.
JOE: Ah, ein echter Künstler. Aber sicher ohne Maseratti
oder so.
ANNABELLA: Ich verbitte mir diesen Ton in meinem Haus.
JOE: Okay, okay. Schon gut.
JASMINA: Wär' vielleicht eine Überlegung wert, euer
Abkommen.
Lächelt Nico an.
NICO: Man sollte der Jugend nicht nur Schlechtes nachsagen.
ANNABELLA: Muss schon schön sein, jungen Menschen die wahre
Kunst näher zu bringen.
NICO: Es gibt leider auch hoffnungslose Fälle.
ANNABELLA: Wie mich.
JOE: Angenommen, man würde mir, nur mal angenommen, so einen
Flügel in die Hand drücken. Dann wär vielleicht
was los
JASMINA: Das wär bestimmt die Fleischeraxt im Haus. Oder
die Motorsäge.
ANNABELLA: Wenn ich nur ein bisschen Talent fürs Klavierspiel
mitgebracht hätte
Dabei, ich bin mit der Musik groß
geworden
Aber so einen richtigen Ton, so, dass man spürt,
da ist jetzt wirklich alles drin, selbst die kleinste Regung -
dafür hat es nie gereicht. Und wie gerne wäre ich eine
große Pianistin geworden. Und Jasmina, sie vergeudet ihr
Talent, weil sie nicht weiß, wie das ist, wenn man es nicht
hat, und sich so danach sehnt
JASMINA: Mama, das ist doch Unsinn.
NICO: Es gibt bestimmt etwas, das Sie so gut können wie sonst
niemand -
ANNABELLA: Dann muss dieses Talent wohl sehr tief in mir schlummern.
Aber bei Jasmina - wenn sie nur ein bisschen weitermachen würde
- dass er ihr nicht am Ende noch verloren geht, dieser wertvolle
Schatz, den sie da mitbekommen hat
NICO: Wir werden sie zum Blühen bringen.
Lächelt Jasmina zu.