3. SZENE

Das Telefon läutet. Er hebt ab.
Er: Hallo?
Marie?
Nicht mehr weiter? Ach, komm, es geht immer irgendwie weiter. Und du weißt doch, heutzutage, da sind die schon so weit, da machen die selbst Tote wieder lebendig.
Blöder Scherz? Du solltest das Ganze einfach entspannter sehen. Du bist ja sonst auch so locker …
Komm, wirklich. Eine so tolle Frau wie du …
Nein, ich mein's wirklich ernst.
Schau doch einfach vorbei. Dann reden wir. Okay? Du wirst sehen …
Gut, bis bald.
Er legt den Hörer auf, nimmt die Whiskyflasche, trinkt einen Schluck.
Er: Bei ihr, da weiß man wirklich nicht … Ist es Theater … will sie einfach nur ein bißchen mehr Aufmerksamkeit … oder ist es ernst?
Und eigentlich … ich meine, da ist ja nichts zwischen uns, war nie irgendetwas, und trotzdem …
Er stellt die Flasche wieder ab.
Er: Ein bißchen ist es so wie damals, mit Simone …
An dem einen Abend, da bin ich wieder einmal rübergegangen, es sind ja keine zehn Minuten von hier, gleich um die Ecke, so, als wollte sie mir damit beweisen, wie sehr für sie auch ohne mich das Leben weitergeht … Carlo, ihr Wachhund, war nicht zu Hause - oder sollte ich besser sagen: ihr Schloßhund … die Gelegenheit also äußerst günstig … und wie wir da so am Küchentisch sitzen, und sie mir erzählt, daß es nun mit dem neuen Glück in den geordneten Verhältnissen auch nicht so weit her sei - irgendwie, da hat sie mich einfach rumgekriegt, daß ich ihr das Ganze abkaufe, diese Hollywoodschnulze, bin ihr doch tatsächlich auf den Leim gegangen, hab sie gleich bedauert, wie schrecklich das alles für sie sein müßte, und so fort. Aber diese Augen, dieser Blick - wenn sich der plötzlich auftut, und nur für den Bruchteil einer Sekunde - das ist wie ein Sesam, der da plötzlich aufgeht, und du mußt schnell hindurch, sonst ist es zu spät - aber du weißt auch nicht, was dahinter auf dich wartet … Tja, und dann, es war schon fast wie früher, wie wir dasaßen, oder besser: dalagen, als plötzlich dieses Rütteln zu hören war an der Eingangstür, dieses aggressive Aufsperrgeräusch, bald begleitet von einem Fluchen - und wie auf Kommando sprang Simone plötzlich auf, wie ein abgerichtetes Tier, rannte Richtung Eingangstür und drehte den Schlüssel um, und dann, dieses Unterwürfige in ihrer Stimme, wie sie ihrem Carlo, der so schrecklich nach Bier stank, um den Hals fiel, sich tausendmal entschuldigte, daß sie wieder einmal vergessen hatte, den Schlüssel abzuziehen - das war nicht die Simone, wie ich sie kannte, wie ich sie geliebt hatte, das war eine Fremde, mit der ich mich zufällig in diesem Augenblick im selben Raum befand, und so suchte ich schnell nach einem Vorwand, um das Weite zu suchen, denn diesen Anblick konnte ich einfach nicht länger ertragen …
Er schnappt sich einen Brieföffner, spielt damit, setzt ihn sich schließlich an die Gurgel.
Er: Du hast diese Frau auf dem Gewissen, jawohl, Carlo, du erbärmliches Nachthemd, du wirst dafür jetzt bezahlen! Ich werde dir das Messer ansetzen, Stück für Stück tiefer in deine Gurgel fahren lassen, ich werde dich zappeln lassen wie ein elendes Stück Schlachtvieh, dich ausbluten lassen wie ein Tier, bis dein abscheuliches Ökohemd sich blutrot färbt, bis du zusammensackst zu einem elenden Klumpen Fleisch …
Er fängt plötzlich zu lachen an, wirft den Brieföffner weg.
Er: Aber den Gefallen tu ich dir nicht, daß du noch zum Märtyrer wirst, noch zum Helden gemacht wirst, der du nie warst, im Gegenteil, immer bist du deinen Geschäftspartnern hinten hineingekrochen, keine Niederung war dir zu tief, um sie nicht doch noch zu durchkriechen, keinen Morast hast du ausgelassen, wenn es um die Kohle ging, da bist du sogar vor dir selbst zu Kreuze gekrochen.