2. SZENE

Im Wald. Tierstimmen sind zu hören. Die Prinzessin ahmt sie nach, bekommt aber keine Antwort.
PRINZESSIN: Ach, wenn wenigstens ihr mich verstehen würdet. Wir könnten so schön zusammen spielen. Ihr habt bestimmt ganz viel Zeit. Mehr Zeit, als je ein Mensch haben kann.
Der kleine Drache schleicht sich heran.
DRACHE: Hallo, junges Fräulein.
Speit Feuer.
Prinzessin erschrickt.

DRACHE: Hab keine Angst. Ich bin ja nur ein kleiner Drache.
PRINZESSIN: Aber dafür bist du ganz schön groß. Und spuckst ganz schön viel Feuer.
DRACHE: Das ist bei uns ganz normal. Wir atmen eben Luft ein und Feuer aus.
Speit Feuer.
PRINZESSIN: Du hättest mich verbrennen können.
DRACHE: Unser Feuer ist für Menschen nicht gefährlich. Zumindest für die, die uns nichts Böses wollen. Und mein Feuer ist noch ganz klein, weil ich noch klein bin.
PRINZESSIN: Dann bist du so was wie ein Drachenkind?
DRACHE: Du sagst es. Aber was machst du hier so allein im Wald?
PRINZESSIN: Das könnte ich dich genau so gut fragen.
DRACHE: Sind deine Eltern auch verschwunden?
PRINZESSIN: Ich bin ihnen davongelaufen. Immer haben sie was auszusetzen an mir. Und Zeit haben sie sowieso keine für mich.
DRACHE: Meine Eltern haben mit mir einen Ausflug gemacht. Wollten nur schnell was zu essen besorgen. Und jetzt sind sie verschwunden. Wie vom Waldboden verschluckt.
PRINZESSIN: Sie kommen bestimmt wieder. Eltern kommen immer wieder.
DRACHE: Drei Tage ist es jetzt schon her, und ich hab im ganzen Wald gesucht. Ich weiß nicht mehr, wo ich noch nachschauen soll. Noch nie haben sie mich so lang allein gelassen.
PRINZESSIN: Aber ich kann dir helfen. Ich bin oft hier im Wald. Ich kenne jeden Baum und jede Höhle.
DRACHE: Menschen sind für uns Drachen gefährlich, hat meine Mutter immer gesagt. Ich weiß nicht, ob ich dir glauben kann.
PRINZESSIN: Wer sollte dir schon was tun?
DRACHE: Menschen können sich viele schlimme Dinge ausdenken. Zum Beispiel: Drachenschnitzel, Drachensalami, Drachenhandtaschen, Bettvorleger …
PRINZESSIN: Das hab ich noch nie gehört.
DRACHE: Mein Großvater ist in einer Polstermöbelfabrik umgekommen. Kein angenehmes Gefühl, wenn dein Großvater als Sofaüberzug sein Ende gefunden hat. Bestimmt muss er jetzt in irgendeiner protzigen Villa ständig wilde Feste über sich ergehen lassen. Das geht auf keine Drachen-, ähm, Kuhhaut!
PRINZESSIN: Dann müssen wir was tun, bevor jemand deine Eltern findet.
DRACHE: Aber wie weiß ich, dass ich dir vertrauen kann? Dass ich nicht selbst eines Tages als Bettvorleger oder als Handtasche ende? Mein Vater ist damals nur knapp den Drachenfängern entkommen, weil er in eine tiefe Schlucht gesprungen ist. Und seither hinkt er mit seiner linken Vorderpfote.
PRINZESSIN: Versuch es einfach.
DRACHE: Leicht gesagt.
PRINZESSIN: Davonlaufen kannst du immer noch.
DRACHE: Vielleicht hast du ja Recht.
PRINZESSIN: Wollen wir Freunde sein?
DRACHE: Meine Eltern haben immer gesagt: Ein Menschenkind kann niemals dein Freund sein. Denn eines Tages wird es groß sein, und dann -
PRINZESSIN: Ich werde dich immer beschützen. Auch, wenn ich groß bin und Königin.
DRACHE: Du bist - eine Prinzessin?
PRINZESSIN: Aber die blöde Krone ist mir beim Spielen immer im Weg. Man kann sich so leicht damit verfangen im Gestrüpp. Und am liebsten klettere ich auf Bäume, die ganz hoch sind.
DRACHE: Dann klettere einfach auf mich, und wir können zusammen losgehen!
Prinzessin klettert auf den Drachen, sie ziehen los.